"100 Fragen zum Strafrecht"

Die Kunst der Strafverteidigung

-100 Fragen zum Strafrecht-

Vor RA Jochen Fahlenkamp, Berlin

Ein Sachbuch für Juristen und Nichtjuristen Edit. Herbst 2023. Hier exclusiv in Vorabausgabe.

Was ist ein Pflichtverteidiger? Was ist ein "Deal"? Was bedeutet "Bewährung"? Brauche ich überhaupt einen Anwalt im Strafverfahren? - Diese und viele andere Fragen werden von dem Berliner Strafverteidiger, RA Fahlenkamp, in dem Sachbuch für Jedermann beantwortet.

Nachstehend einige Auszüge vorab.

 

Vorwort

  

Vorwort: Die Kunst der Strafverteidigung - 100 Fragen zum Strafrecht- Ein Plädoyer für Gerechtigkeit

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

mit großer Freude und gleichzeitig einer gehörigen Portion Demut, präsentiere ich  Ihnen dieses Sachbuch über die Kunst der Strafverteidigung. Die Rechtsprechung und das Strafjustizsystem sind Grundpfeiler unserer Gesellschaft, die dazu dienen, Recht und Gerechtigkeit zu wahren. In diesem Zusammenhang spielt die Rolle der Strafverteidigung eine zentrale und unverzichtbare Rolle... Die Idee, dieses Buch zu verfassen, entstand aus meiner jahrzehntelangen Erfahrung als Strafverteidiger. Während dieser Zeit habe ich hautnah erlebt, wie der Prozess der Strafverfolgung und der Verteidigung komplexer und anspruchsvoller geworden ist. Strafverteidigung erfordert nicht nur juristisches Fachwissen, sondern auch Empathie, strategisches Denken und die Fähigkeit, die Wahrheit hinter den Kulissen zu erkennen....

Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre.

Jochen Fahlenkamp, Rechtsanwalt, Strafverteidiger in Berlin

1 Was ist eigentlich  Strafverteidigung?

 

In Kürze: Strafverteidigung ist  die Abwehr eines Angriffs,  den der Staat mit dem Ziel strafrechtlicher Sanktion gegen ein Individuum führt, wobei die Abwehr von hierzu berufenen Personen im Rahmen der Vorschriften des geltenden Rechts durchgeführt wird. Anders Strafvereitelung: Hier wird der Anspruch auf staatliche Sanktionierung eines Straftäters unter Verletzung des geltenden Rechts abgewehrt. ...

 

2 Warum darf der Staat überhaupt strafen?

Diese Frage stelle ich hier, um den Leser auf den Weg der Wesensinhaltes von Strafverteidigung als Institut im Rechtsstaat zu lenken und sein Verständnis zu fördern.

Zunächst einmal könnte man ja davon ausgehen, dass jeder Mensch über sein Handeln selbst entscheiden könne, und sich an dem orientieren mag, was  seine soziale Umgebung zu akzeptieren bereit sei. So war es auch vermutlich, als unsere Vorfahren in grauer Vorzeit in Wäldern lebten und sich als Jäger und Sammler betätigten. Es galt so etwas wie das Recht des Stärkeren, eine Art Naturrecht, ein Recht, das durch die normative Kraft des Faktischen, durch die natürlichen Gegebenheiten bestimmt wurde. Erlaubt war, was man ungestraft tun konnte. Einschließlich Mord. Später wurden Gesellschaften komplexer und es entwickelten sich allmählich Herrschaftsstrukturen, die über den Tellerrand der Sippe hinauswirkten, bis schließlich frühe Hochkulturen große Territorien kontrollierten, und um die Kontrolle zu flankieren, Gesetzeswerke schufen, wie z.B. den Codex Hammurapi, ein  Jahrtausende altes Gesetzeswerk der Babylonier, das im Jahre 1902 im Wüstensand der südwestiranischen Provinz Chuzestan wiederentdeckt wurde. In dieser, auf einer Stein-Stele aus dem 18. Jahrhundert v. Chr.  eingravierten Rechtssammlung  sind bereits zahlreiche strafrechtliche Vorschriften enthalten. Sogar solche, die sich in ähnlicher Form in den ca. 1450 Jahre später entstandenen 5 Büchern Moses‘, der hebräischen Bibel, wiederfinden. Alle Staaten, egal welcher Herrschaftsform, schafften sich Recht und Gesetze, um die Rahmenbedingungen des Miteinanders und der Über-und Unterordnung zu regeln;... 

Ziel allen Rechts, auch des Strafrechts  im demokratischen Rechtsstaat ist, anders als in Königreichen oder anderen undemokratischen Staaten, nicht, das Volk zu unterdrücken, sondern in der Demokratie betrachtet sich das Volk selbst als Herrscher, und das Recht und die Gesetze dienen dazu, einen permanenten Ausgleich zwischen den eventuell widerstreitenden Interessen Aller zu finden. ...

  1. So gilt etwa das Prinzip des Römischen Rechts „nulla poena sine lege“, was bedeutet, dass niemand vom Staat bestraft werden darf, wenn es vor dessen Tat kein Verbotsgesetz mit Strafandrohung gab.
  2. „Ne bis in idem“, was bedeutet, dass niemand zweimal wegen derselben Tat verurteilt werden darf.
  3. „In dubio pro reo“, was bedeutet, daß bei kleinstem verbleibendem Zweifel an der Schuld des Angeklagten dieser freizusprechen ist.
  4. Zudem gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip, und zwar überall, wo der Staat in Rechte des Individuums eingreift. Der Eingriff muss in Relation zu dem vom Staat verfolgten Zweck angemessen sein und darf das Individuum nicht über Gebühr belasten. Dies wirkt sich auch auf die Anwendung von Strafgesetzen aus.
  5. Resozialisierungsgedanke. Dieser Gedanke spielt im Strafrecht Deutschlands, das sich auch als sozialer Rechtsstaat versteht, eine ganz besondere Rolle. Er schränkt die Strafgewalt des Staates erheblich ein. Strafen, die eine Resozialisierung des Täters unmöglich machen, sind unzulässig. Daher bedeutet selbst die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe, § 212 StGB  (Mord) in der Regel nicht automatisch, dass der Täter „lebenslänglich“ im Gefängnis einsitzt.

Fazit: Der Staat darf bei uns strafen, weil das Volk es so entschieden hat. Aber nur in dem Maße, welches das Volk dem Staat durch Gesetze vorgibt. Und Teil dieser Gesetze, insbesondere der Strafprozessordnung ist das Recht, sich verteidigen zu lassen.

3. Ist Strafverteidigung "Kampf"?. ... hier nicht abgedruckt

4. Was ist „Kuschelverteidigung?“

Kuschelverteidigung, so bezeichnen Anwälte -etwas abfällig- das Verhalten mancher Kollegen, die sich dem Gericht anbiedern, dem Vorsitzenden nach dem Munde reden, vielleicht noch anstelle des Wachtmeisters die Tür des Sitzungssaals schließen, sich anbieten, Zeugen hereinzurufen, und Ähnliches. Alles servile Verhaltensweisen, die nahelegen, dass dem Anwalt die Gunst des Gerichts wichtiger ist, als diejenige des Mandanten. Besonders peinlich, wenn solches Verhalten von Pflichtverteidigern an den Tag gelegt wird, die sich dadurch dem Verdacht aussetzen, sich beim Gericht beliebt machen zu wollen, um vom Gericht  auch in weiteren Fällen als Pflichtverteidiger ausgewählt zu werden. 

Kuschelverteidigung sollte aber nicht gleichgesetzt werden mit defensiver Verteidigung.

 

5. Defensive Verteidigung: was ist das?

Bei dieser  handelt es sich um eine auf Schadensbegrenzung ausgerichtete Verteidigungslinie, die kluge Anwälte anwenden, wenn feststeht, dass ein Schuldspruch unausweichlich ist und durch diese zurückhaltende Verteidigungspolitik das Gericht auf die Verhängung einer möglichst milden Sanktion eingestimmt werden soll.

 

6.  Ist Strafverteidigung eine Kunst?

Im „Anti-Struwwelpeter“ (Melzer 1970) ist eine Persiflage der Geschichte vom fliegenden Robert abgedruckt, ganz im Sinne der Zeit, also antiautoritär motiviert. dort heißt es, dass Robert es verstanden habe, mit seinem Sonnenschirm zu fliegen, und das Fazit lautet: „Dies ist eine große Kunst, sowas macht man nicht umsunst.“

Kunst hat also einen materiellen Wert, der über den inneren Wert des Werkes hinausgeht. Was aber nicht heißt, dass jedes Werk, welches Geld kostet, schon Kunst wäre. Sogar wenn ein Werk sehr viel Geld kosten mag, kann es alles Andere als Kunst sein. Das gilt auch für manche misslungene Strafverteidigung. Strafverteidigung verfolgt in der Regel sehr existentielle Ziele, die das reale Leben der Beschuldigten betreffen. Ich denke, Strafverteidigung ist daher eher ein Handwerk als eine Kunst, auch wenn das Handwerk der Strafverteidigung, wird es mit Bedacht und Verstand betrieben, durchaus verdient, als „Kunst der Strafverteidigung“ bezeichnet zu werden. Ähnlich einem bildenden Künstler lässt der erfahrene Strafverteidiger

- die Summe seine Erfahrungen,

- seine über Jahre entwickelte Menschenkenntnis, also seine Fähigkeit, sich in Andere hinein zu fühlen,

- und sein juristisches Fachwissen

zusammenfließen, und  das Produkt dieses Vorgangs ist im Idealfall ein Verfahrensausgang, mit dem der Mandant zufrieden ist, und der für ihn bedeutet, dass er nicht aus der Bahn des Lebens geworfen wird. Ein solches Ergebnis kann lauten:

- „Freispruch“,

- oder „Verfahrenseinstellung“,

- oder auch „Bewährung“.

Mitunter sind Angeklagte, die schon mehrfach vor Gericht standen, auch glücklich, wenn  sie eine überschaubare Freiheitsstrafe erhalten, oder eine Strafe, die sie im sogenannten offenen Vollzug verbüßen können. Es muß für manche Leute durchaus nicht immer Freispruch sein! Kunst hin, Kunst her, alles Wissen, alle Erfahrung nützen mitunter nichts, wenn der Verteidiger nicht versteht, eigene „Hürden“ zu überwinden und unter Einsatz persönlicher Ausstrahlung, Psychologie (!), Gericht und Staatsanwaltschaft dazu zu bringen, dass diese dem Angeklagten, der mitunter  auch eine Frau sein kann, helfen wollen.

 

7. Wozu ein Strafverteidiger? Kann ich mich nicht selbst verteidigen?

Bitteschön! Sie können es ja mal versuchen.

Es gibt zwar  auch Anwälte, die so ungeschickt sind, dass sie dem Mandanten Schaden zufügen. Der häufigste Fall besteht darin, dass der Anwalt durch unangemessenes Gebaren verursacht, dass das Gericht den Mandanten härter bestraft, als wäre dieser ohne Anwalt vor Gericht erschienen. (Wer keine Selbstwahrnehmung hat, fühlt auch nicht, wie er beim Gegenüber ankommt!)

Ansonsten hat der Angeklagte aber  oft immense Vorteile, wenn er sich vor Gericht und Ermittlungsbehörden anwaltlich verteidigen lässt. Der gute Verteidiger ist nicht nur Volljurist (Befähigung zum Richteramt !), nicht nur Fachmann auf dem Gebiet des Strafrechts (oder Ordnungswidrigkeitenrechts), der den Mandanten bei unklarer Beweislage „raushaut“, sondern seine Aufgabe besteht darin, den Mandanten dem Gericht zu präsentieren, zu „servieren“ und zu „verkaufen“. Der Anwalt ist, besonders bei schweren Straftaten, Stimme des Mandanten, dessen Parlamentär gegenüber der Staatsgewalt, er kann, wenn er fähig ist, all das, was der angeklagte Mandant selbst nicht ausdrücken, nicht mitteilen kann, dem Gericht vermitteln, er kann das Gericht motivieren, den Angeklagten als Menschen, als Individuum wahrzunehmen, seinen Lebensweg und oft sein Schicksal, häufig ein Leidensweg, nachzuempfinden. Per Saldo: Ein anwaltlicher Profi auf dem Gebiet des Strafrechts versteht es, im Gericht, welches  häufig aus Berufsrichtern und Laien zusammengesetzt ist, Empathie für den Angeklagten zu wecken. Sofern er selbst eine empathische Persönlichkeit ist (…) . Empathie ist  Voraussetzung dafür,  zu verstehen, weshalb jemand eine bestimmte Tat begangen hat, und mündet fast ohne weiteres Zutun in einem gewissen Grad des  Mitgefühls mit dem Angeklagten. Wenn Strafverteidigung Kunst ist, dann nähert sie sich an diesem Punkt ihrem Gipfel. Es ist durchaus eine Genugtuung, wenn der Vorsitzende einer Berliner Strafkammer zu dem wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs verurteilten, geständigen Mandanten sagt, „Dass Sie diese Freiheitsstrafe im offenen Vollzug verbüßen können, anstatt zu den „Langstrafern“  zu kommen, haben Sie in erster Linie Ihrem Verteidiger zu verdanken“. Selbstredend ist derartiges moderierendes Wirken des Verteidigers im Strafprozess nicht so schön werbewirksam zu vermarkten, wie theatralisches Auftreten, laute Töne, demonstratives Ablehnen der Richter wegen angeblicher Besorgnis der Befangenheit, etc. -  Verhaltensweisen, die gerne von der Presse aufgegriffen werden und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Verfahren und dessen Protagonisten lenken. Im Einzelfall kann auch lautes Auftreten mitunter geboten sein. Aber das Maß der Mittel muß jeder Strafverteidiger für sich bestimmen, die Orchestrierung der Instrumente der Verteidigung in jedem Fall individuell festlegen.

Fazit: gute Strafverteidigung ist kaum mit Gold aufzuwiegen.

Es gibt aber auch ganz simple Vorteile, die mit der anwaltlichen Verteidigung verbunden sind. Der Anwalt ist eine Art Puffer zwischen Justiz und Mandanten.

Beispiele:

-Direkter Kontakt des Beschuldigten gegenüber der Polizei führt häufig zu unnötiger Selbstbelastung. Dies wird vermieden, wenn der Anwalt sich für den Beschuldigten meldet und für ihn mit der Polizei korrespondiert.

-Der Beschuldigte hat, anders als der Verteidiger, selbst kaum Möglichkeiten, den Akteninhalt zu erfahren. Er kann sich ohne Aktenkenntnis nicht effizient verteidigen, sondern tappt bezüglich der Beweislage im Dunkeln.

-Gespräche zur gütlichen Beilegung eines Strafverfahrens werden in der Regel zwischen dem Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft nicht geführt. Anders, wenn ein Verteidiger als Ansprechpartner für den Staatsanwalt oder Richter zur Verfügung steht.

Fazit:  der anwaltlich verteidigte Beschuldigte steht strategisch einfach besser da.

8. Was ist ein Deal?

                                                                         

 

Wenn der Angeklagte schuldig ist und seine Verurteilung unausweichlich erscheint, stellt sich die Frage, was der Verteidiger tun kann, um den Mandanten zu "retten". Retten, das bedeutet oft, daß der Mandant auf keinen Fall ins Gefängnis will. Oft stellt sich dann die Frage, ob man sich mit der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht verständigen kann. Die Strafprozessordnung sieht das Intrument der Verfahrensabsprache vor, den sogenannten Deal. § 257c StPO, der zu diesem Ziel seitens der Verteidigung genutzt werden kann.  ...

Viele Deals sind tatsächlich der sicherere Weg zur Wahrung der Rechte des Angeklagten, als eine "streitige Hauptverhandlung" , besonders dann, wenn die Vorwürfe im Großen und Ganzen stimmen und nur in Details unzutreffend sind. Hier kann eine unüberlegte Kampfverteidigung, bei der die Zeugen gequält werden und das Gericht verärgert wird, das Endergebnis für den Mandanten durchaus verschlechtern.

Wenn der Mandant aber  den Eindruck hat, daß die vom Verteidiger eingeschlagene Linie, mit dem Gericht eine Absprache anzubahnen, nicht der richtige Weg ist, sollte er ihn schnellstmöglich offen darauf ansprechen. Ein seriöser erfahrener Strafverteidiger wird sich einem konstruktiven Gespräch nicht verschließen und immer versuchen, Meinungsverschiedenheiten mit dem Mandanten auszuräumen.

Fortsetzung folgt. ...

Erscheinen des Buches voraussichtlich September 2023

 

J. Fahlenkamp, Rechtsanwalt,  Berlin , Tel 030/313 29 00, anwaltfahlenkamp@gmail.com ; alle Rechte vorbehalten.

 

 

 

 


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